Fragen und Antworten zum neuen Lieferketten­gesetz: Was Unternehmen jetzt wissen müssen

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Menschenrechte schützen, Zwangs- und Kinderarbeit verhindern: Das Lieferkettengesetz, das im Juni 2021 vom Bundesrat gebilligt wurde, soll die Einhaltung grundlegender Menschenrechtsstandards sichern. Im Gesetz sind Anforderungen für die Sorgfaltspflicht von Unternehmen festgelegt, um mehr Fairness in globalen Lieferketten zu schaffen. Deutsche Unternehmen müssen Sorge dafür tragen, dass in ihren Lieferketten Menschenrechte und soziale Mindeststandards eingehalten werden und dass auf Umweltschutz und Nachhaltigkeit sowie auf Arbeits- und Gesundheitsschutz geachtet wird. Was genau das Lieferkettengesetz für einzelne Unternehmen bedeutet und welche Kritik es am Gesetz gibt, erklären wir in diesem Blogbeitrag. 

Was besagt das neue Lieferkettengesetz und für wen gilt es?

Unternehmen aller Branchen müssen zukünftig darauf achten, ihren Sorgfaltspflichten in den globalen Wertschöpfungsketten nachzukommen. Das sogenannte Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) wurde am 11. Juni 2021 im Bundestag verabschiedet und gilt, unabhängig von der Rechtsform, für alle größeren Unternehmen mit Sitz in Deutschland. Bis zum 1. Januar 2023 haben deutsche Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitern nun Zeit, ihre Lieferketten zu überprüfen und die neuen gesetzlichen Pflichten umzusetzen. Ab 2024 sind auch Unternehmen mit über 1.000 Mitarbeitern betroffen, danach wird neu evaluiert. Doch auch Unternehmen ohne direkten Anwendungsbereich können mittelbar betroffen sein, zum Beispiel als Zulieferer für ein betroffenes Unternehmen. Die Durchsetzung des Lieferkettengesetzes überwacht das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Verstöße gegen das neue Gesetz werden mit Bußgeldern oder Ausschluss von öffentlichen Ausschreibungen geahndet. Bußgelder oder gesetzliche Verpflichtungen betreffen mittelbar betroffene Unternehmen jedoch nicht. 

Was ist das EU-Lieferkettengesetz?

Die EU-Kommission hat im Februar einen ersten Entwurf für ein EU-Lieferkettengesetz vorgelegt, das über das deutsche Lieferkettengesetz hinausgeht und schon Firmen mit mehr als 500 Mitarbeiter und einem weltweiten Jahresumsatz von 150 Millionen Euro zu höheren Sorgfaltspflichten verpflichten soll. Damit soll auch auf europäischer Ebene die Achtung der Menschenrechte und der Umwelt in allen globalen Wertschöpfungsketten verankert werden. Unter das neue europaweite Lieferkettengesetz sollen der EU-Kommission zufolge rund 13.000 Firmen fallen. Das Gesetz auf Ebene der EU stellt eine wesentliche Verschärfung dar, weswegen sich der deutsche Mittelstand auf einen erhöhten Kontroll- und Bürokratieaufwand einstellen muss. Eine bedeutende Erweiterung ist zum Beispiel die Aufnahme des Klima- und Umweltschutzes in den Sorgfaltspflichtenkatalog, während sich das deutsche Lieferkettengesetz nur mittelbar mit dem Umweltschutz befasst und den Fokus auf die Einhaltung der Menschenrechte legt. Zudem wird eine anlasslose Überwachung der gesamten Wertschöpfungskette erwartet, was einen deutlich erhöhten Prüf- und Dokumentationsaufwand mit sich bringen wird. Der Anwendungsbereich ist in zwei Gruppen unterteilt:

  • Gruppe 1: Alle EU-Gesellschaften mit beschränkter Haftung von erheblicher Größe und Wirtschaftskraft (mit mindestens 500 Beschäftigten und einem Nettoumsatz von mindestens 150 Mio. EUR weltweit)
  • Gruppe 2: Andere Gesellschaften mit beschränkter Haftung, die in bestimmten ressourcenintensiven Branchen tätig sind und die nicht beide Schwellenwerte der Gruppe 1 erfüllen, aber mehr als 250 Beschäftigte und einen Nettoumsatz von mindestens 40 Mio. EUR weltweit haben.

Für Gruppe 2 gelten die neuen Sorgfaltspflichten zwei Jahre später als für Gruppe 1. Geringere Pflichten gelten für europäische Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern, die ihren weltweiten Jahresumsatz von über 40 Millionen Euro zumindest zur Hälfte in einem der benannten Hochrisiko-Sektoren, wie zum Beispiel in der Textil- und Lederproduktion, der Land- und Forstwirtschaft, der Fischerei sowie in der Mineralien- und Metallbranche und bei dem Handel mit Rohstoffen, erwirtschaften. Firmen unterhalb dieser Schwellenwerte – also insbesondere KMU – werden von der Richtlinie nicht direkt erfasst.

Warum wurde das Lieferkettengesetz verabschiedet?

Das Lieferkettengesetz soll Akteure entlang der Supply Chain schützen. Deutsche Unternehmen beziehen sowohl Rohstoffe als auch verarbeitete oder teilweise verarbeitete Produkte aus der ganzen Welt, unterhalten Produktions- und Vertriebsstätten im Ausland und exportieren die Güter weltweit. Durch das Gesetz soll erreicht werden, dass auch die Zulieferer der Unternehmen fair produzieren und sich die Arbeitsbedingungen bessern. Ausbeutung, Kinderarbeit und mangelnde Sicherheit in weltweiten Lieferketten sollen damit abgeschafft und Menschenrechte besser geschützt werden. Die Verantwortung dafür im eigenen Geschäftsbereich und bei den unmittelbaren Zulieferern sollen von nun an die Unternehmen tragen. 

Die Ziele des Lieferkettengesetzes im Überblick

  • Kinderarbeit, Zwangsarbeit und Sklaverei vermeiden
  • Mindestmaß an Arbeitsschutz, Arbeitsrechten und Sicherheitsstandards gewährleisten
  • Diskriminierung verhindern
  • Angemessene Entlohnung schaffen
  • Widerrechtliche Enteignung verhindern
  • Umweltschutz sicherstellen

Kritik am Lieferkettengesetz

Anhänger des Lieferkettengesetzes müssen auch mit einigen Kritikpunkten umgehen. Viele Unternehmen bemängeln u.a. die Umsetzbarkeit, da heutige Produkte nicht selten aus tausenden weltweit produzierten Teilen bestehen. Sie sehen sich weiterhin nicht verantwortlich für politische Veränderungen im Ausland und sind der Meinung, dort nur geringen Einfluss zu haben. Zur internen Umsetzung sind umfangreiche Vorkehrungen notwendig, die einen immensen Zeitaufwand für die Unternehmen bedeuten. Gerade in der Corona-Pandemie hatten viele Firmen bereits Probleme mit den Lieferketten und schrecken nun davor zurück, die Zulieferer mit neuen Compliance-Vorgaben zu konfrontieren, weil sie erneute Lieferengpässe und daraus resultierende Produktionsstopps befürchten

Greenpeace und andere Organisationen hingegen sind der Meinung, dass das deutsche Gesetz hinter den Forderungen zurückbleibt und keine wirksamen Rahmenbedingungen schafft. Zudem bezieht es sich nur auf unmittelbare Zulieferer und nicht auf die gesamte Lieferkette, obwohl gerade am Anfang der Lieferketten häufig zum Beispiel Umweltschäden stattfinden. Auch die Beschränkung auf große Unternehmen mit über 3.000 bzw. später über 1.000 Mitarbeiter sehen sie als Kritikpunkt, weil auch kleinere Unternehmen Umweltschäden oder Menschenrechtsverletzungen verursachen können. 

Was das Lieferkettengesetz für die Supply Chain bedeutet und worauf Unternehmen achten sollten, erfahren Sie im Interview mit Isabel Schäfer, Teamlead Innovation & Integration bei REMIRA.

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