Die Lieferfähigkeit beschreibt in der Logistik die Fähigkeit eines Unternehmens, die bestellte Ware innerhalb einer anvisierten Zeit an den Kunden zu liefern.
In der Logistik gibt die Kennzahl Lieferfähigkeit Aufschluss darüber, inwiefern ein Unternehmen gewährleisten kann, Produkte jederzeit auf Nachfrage liefern zu können. In Prozent gibt die Kennzahl an, in welchem Ausmaß der Kunde zufriedengestellt wird. Die Lieferfähigkeit kann zum Beispiel durch einen schwankenden Auftragseingang oder mangelnde Kommunikation beeinflusst werden. Letzteres ist der Fall, wenn Terminzusagen ohne vorherige Absprache mit dem Lager oder der Produktion getroffen wurden.
Häufig wird der Begriff synonym mit Lieferbereitschaft genutzt, jedoch setzt die Bereitschaft voraus, dass die Fähigkeit bereits vorhanden ist. Ist nur die Lieferfähigkeit gegeben, kann die Lieferbereitschaft durch andere Faktoren, wie zum Beispiel die aktuelle Auftragsmenge oder die Geschäftszeiten, eingeschränkt sein.
Für Unternehmen hat die Kennzahl der Lieferfähigkeit eine große Relevanz, weil durch eine hohe Lieferfähigkeit die Kundenzufriedenheit steigt. Die Termintreue bei Lieferungen ist essentiell, weil Kunden ihre Ware möglichst schnell haben wollen. Können Lieferfristen oder Wunschtermine nicht eingehalten werden, wirkt sich das negativ aus: Kunden wechseln zum Wettbewerber und hinterlassen teilweise schlechte Bewertungen. Weiterhin muss das Unternehmen darauf achten, dass die Lagerbestände nicht zu hoch (zu hohe Kapitalbindung) oder zu niedrig (Out-of-Stock-Situation) sind, Stichwort: Bestandsmanagement. Die Lieferfähigkeit ist daher auch eine Kennzahl für die Wirtschaftlichkeit eines Unternehmens. Gerade bei unvorhergesehenen Ereignissen wie der Corona-Pandemie sind die Supply Chains extrem anfällig. Daher müssen Unternehmen Maßnahmen ergreifen, um die Lieferfähigkeit und damit ihre gesamten Lieferketten resilient und stabil zu gestalten.
Demand Planning
Die Sicherstellung einer hohen Lieferfähigkeit hängt davon ab, wie präzise der zukünftige Bedarf für verschiedene Zeiträume bekannt ist. Professionelles Demand Planning bietet hier die notwendige Transparenz für fundierte Entscheidungen. Wenn die Nachfrage präzise prognostiziert wird – inklusive Saisonalitäten, Promotion-Effekten oder Trendwechseln – können Einkauf, Produktion und Logistik rechtzeitig reagieren. Falsche Annahmen oder sich auf das Bauchgefühl zu verlassen, kann zu Lücken im Regal oder Überbestände führen, die Kapital binden.
Bestandsmanagement
Bestandsmanagement sorgt dafür, dass die richtigen Artikel in der richtigen Menge am richtigen Ort liegen. Hier geht es um Themen wie Sicherheitsbestände, Mindest- und Meldebestände, ABC-/XYZ-Analysen oder Bestandsgenauigkeit. Typische Lieferfähigkeits-Killer sind falsche Parameter, „vergessene“ Langsamdreher, unerkannte Bestandsfehler oder ein Lagerbestand, der zwar hoch ist – aber am falschen Standort. Mit einer speziellen Software für Bestandsmanagement können Unternehmen ihre Bestände optimal steuern.
Disposition
Disposition ist die operative Übersetzung aus „Bedarf“ und „Bestand“ in konkrete Nachschubentscheidungen. Also: Wann wird nachbestellt? Wieviel? Von wo nach wo? Gerade bei dynamischer Nachfrage macht der Dispositions-Prozess den Unterschied zwischen stabiler Lieferfähigkeit und permanentem Feuerwehrmodus. Wer hier nach starren Regeln oder mit zu groben Bestellzyklen arbeitet, produziert Lücken oder unnötige Eilbestellungen. Flexible, datenbasierte Disposition hält den Fluss am Laufen – auch wenn es im Markt wackelt.
Lieferantenperformance
Selbst mit perfekten Plänen und Beständen bringt Lieferfähigkeit wenig, wenn Zulieferungen unzuverlässig sind. Lieferantenperformance beschreibt, wie pünktlich, vollständig und qualitativ sauber geliefert wird – und wie stabil Lieferzeiten wirklich sind. Schwankende Lead Times, kurzfristige Mengenänderungen oder Qualitätsmängel wirken direkt auf die Verfügbarkeit durch. Besonders kritisch wird es bei Single-Sourcing oder globalen Lieferketten mit langen Transportwegen. Je besser Lieferanten in Planung und Kommunikation eingebunden sind, desto robuster bleibt die Lieferfähigkeit.
Die Lieferfähigkeit gibt den prozentualen Anteil an, bei dem die Terminzusage mit dem tatsächlichen Liefertermin übereinstimmen. Zur Berechnung gibt es die folgende Formel:

Service Level / Fill Rate
Das Service Level (oft als Fill Rate gemessen) beantwortet die zentrale Frage: Wie viel der Nachfrage kann direkt aus dem Bestand erfüllt werden? Eine Fill Rate von 95 % bedeutet zum Beispiel, dass 95 von 100 nachgefragten Einheiten sofort lieferbar sind. Die Kennzahl ist extrem praxisnah, weil sie den Kundeneffekt direkt abbildet. Wichtig ist nur, klar zu definieren, auf welcher Ebene gemessen wird (Artikel, Kategorie, Standort, Kunde) – sonst vergleicht man Äpfel mit Birnen.
OTIF (On Time In Full)
OTIF geht einen Schritt weiter und misst, ob eine Lieferung pünktlich und vollständig beim Kunden ankommt. „On Time“ heißt: im vereinbarten Zeitfenster. „In Full“ heißt: ohne Fehlmengen oder Teillieferungen. Damit ist OTIF ein echter End-to-End-Indikator für Lieferfähigkeit, weil er nicht nur Bestände, sondern auch Transport, Lagerprozesse und Lieferanten mit einbezieht. Gerade im B2B-Umfeld oder bei Filialbelieferung ist OTIF oft der Goldstandard.
Out-of-Stock-Rate / Backorder-Quote
Diese Kennzahlen zeigen die Kehrseite der Medaille: Wie oft ist ein Artikel nicht verfügbar (Out-of-Stock) oder wie viel Nachfrage muss nachgeliefert werden (Backorder)? Sie sind besonders hilfreich, um Schmerzpunkte sichtbar zu machen: Welche Artikel reißen Lücken? Welche Standorte sind regelmäßig unterversorgt? Und wie wirkt sich das auf Umsatz oder Kundenzufriedenheit aus? Out-of-Stock-Raten sind außerdem ein starkes Frühwarnsignal, wenn Forecast, Bestand oder Disposition aus dem Takt geraten.