Aus drei mach eins

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Die Ziehl-Abegg AG stellt ihre Inventuren schrittweise auf das Stichproben-Verfahren um. Dabei werden jetzt erstmals auch Produktionslager und kleinere Standorte mit weniger als 1.000 Positionen berücksichtigt. Die dafür eingesetzte Inventur-Software stammt von Stat Control.

Die Regeln sind klar definiert: Ein Lager sollte mindestens 1.000 Positionen oder Teil-Lagerplatz-Relationen enthalten, damit die jährliche Inventur auf der Basis weniger Stichproben zulässig ist – so schreibt es der Gesetzgeber neben weiteren Bedingungen vor (s. Kasten). Somit schließt das Handelsgesetzbuch kleinere Standorte mit weniger als 1.000 Artikelnummern von vorne herein von dieser zeitsparenden Art der Bestandsaufnahme aus.

Die Ziehl-Abegg AG aus Künzelsau wollte sich mit dieser Einschränkung nicht zufrieden geben. Der auf Ventilatoren, Elektromotoren und dazu gehörige Regelsysteme spezialisierte Hersteller vertraut an einem Kleinteilelager mit 2.500 bis 3.000 Positionen bereits seit über 15 Jahren auf die Stichprobeninventur. Dort konnte der Zählaufwand um rund 80 Prozent verringert werden. Der selbe Effekt stellte sich vor sechs Jahren in einem weiteren Bereich mit 5.000 Artikelnummern ein. „Die frühere Vollinventur hat mit zehn Mitarbeitern zwei volle Tage gedauert. Jetzt schaffen das fünf Kollegen in fünf Stunden“, berichtet Karsten Gaschnitz vom Controlling, der bei der Ziehl-Abegg AG den Bereich Inventur verantwortet.

Neue Perspektiven

Die meisten anderen der insgesamt rund 180 Lagerstandorte haben jedoch weniger als 1.000 Positionen und kommen für eine Umstellung eigentlich nicht in Frage. „Es sei denn, wir fassen mehrere kleine Bereiche zu einer Lagereinheit beziehungsweise einer Stichprobengesamtheit zusammen“, erklärt Gaschnitz. Dies wiederum setzt eine Inventur-Software voraus, die mehrere Lagerorte zusammenfassen und somit als einen Mandanten verwalten kann. „Das von uns eingesetzte Programm Stasam 8.1 erfüllt diese Voraussetzung. Seit dem Releasewechsel im Jahr 2007 können wir auch mehrere solcher Mandanten parallel verwalten“, erklärt Jens Knoch aus der IT-Abteilung.

Für die Ziehl-Abegg AG ergeben sich dadurch völlig neue Perspektiven: „Schritt für Schritt wollen wir in den nächsten Jahren die Inventuren der meisten unserer Lagerbereiche auf das Stichproben-Verfahren umstellen“, erläutert Gaschnitz. Schließlich sind bei der Ziehl-Abegg AG zu Zeiten der Inventur rund 200 Kollegen mit dem Zählen der diversen Teile beschäftigt. Hinzu kommen 20 Mitarbeiter der Verwaltung, die an bis zu zwei Tagen die gezählten Daten im ERP-System proALHA erfassen müssen.

Den Anfang der weiteren Umstellung machten jetzt drei Lagerbereiche am Standort Künzelsau, in denen Klein- und Ersatzteile sowie Eisen aufbewahrt werden. „Alle dort gelagerten Waren werden zu einer Grundgesamtheit zusammengefasst und dienen Stasam als Datenbasis zum Ermitteln der Stichproben“, erläutert Knoch. Bisher dauert die Vollaufnahme in den drei Lagerbereichen noch 2,5 Tage. Künftig will die Ziehl-Abegg AG hier einen ganzen Arbeitstag einsparen.

Differenzen beheben

Als weitere Besonderheit wollen Knoch und Gaschnitz im Jahr 2009 auch noch verschiedene Produktionslagerorte in die Stichprobeninventur einbeziehen. Ein erster Test verlief positiv: „Bei vielen der gezählten Positionen waren die Bestände in Ordnung“, berichtet Knoch. Die größte Herausforderung bei Produktionslagern sei, dass der tatsächliche Transport ins Produktionslager und die Buchung der Warenbewegung zu unterschiedlichen Zeitpunkten stattfinden kann. Dadurch kommt es bisher immer wieder zu Differenzen, die jedoch bald behoben sein sollen.

Der Anreiz ist groß, denn in der Vergangenheit waren dort mit der Inventur vier Mitarbeiter an zwei ganzen Tagen beschäftigt. „Hier sehen wir unser Ziel bei zwei Mitarbeitern, die das Ganze in einem halben Tag absolvieren“, meint Gaschnitz. „Zusammen mit dem wesentlich einfacheren Erfassen werden wir 20.000 bis 30.000 Euro sparen“, so seine Schätzung.

Weiteres Potenzial hat Gaschnitz in den Hochregallagern mit Fertigprodukten und Komponenten ausgemacht. Davon unterhält die Ziehl-Abegg AG an den Standorten Künzelsau, im Gewerbepark Hohenlohe und Bieringen insgesamt neun Stück, die ihre Umstellung ebenfalls noch vor sich haben. „Wir beginnen mit dem Standort Würzburger Straße hier in Künzelsau“, plant Gaschnitz. Dort befinden sich 4.700 Lagerplätze, die mit Hilfe der Stichprobeninventur innerhalb eines Tages gezählt sein werden. Neben dem Zeitgewinn wird die Ziehl-Abegg AG dafür nur zwei statt bisher vier Mitarbeiter beschäftigen. „Die Kollegen werden sich freuen, dass sie sich künftig bei der Inventur abwechseln können und nur noch alle zwei bis drei Jahre während der Weihnachtsferien arbeiten müssen“, meint Knoch und ergänzt: „Die Zeit- und Kostenersparnis realisieren wir aber nicht nur durch die schnellere Zählung am Tag der Aufnahme, sondern vor allem durch den Wegfall der permanenten Inventur während des gesamten Jahres.“

120.000 Euro Lohnkosten

Selbst wenn dieser Posten nicht berücksichtigt wird, ist die jährliche Kostensenkung beachtlich: „Für die Inventur fielen in der Vergangenheit rund 80.000 bis 120.000 Euro Lohnkosten an“, rechnet Gaschnitz vor. Von diesem Wert will er 60 bis 75 Prozent einsparen.

Auf dem Weg zur konsequenten Nutzung der Stichprobeninventur im gesamten Unternehmen haben er und sein Team erst ein kleines Stück der Strecke zurückgelegt. Mit Hilfe von Stasam will Gaschnitz das Projekt innerhalb der nächsten zwei Jahre abschließen. Vielleicht kann er dann selbst einmal zwischen Weihnachten und Neujahr Urlaub machen – für ihn wäre es das erste Mal seit 1987.

Stichprobeninventur

Hintergrund der Stichprobeninventur ist ein deutsches Gesetz, das Unternehmen die Bestandsaufnahme wesentlich vereinfacht: Paragraph 241 des Handelsgesetzbuchs (HGB) erlaubt das Durchführen von Stichproben-Inventuren. Grundlage dafür ist das Phänomen, dass etwa 20 Prozent aller Lagerpositionen 60 bis 95 Prozent des Lagerwertes repräsentieren. Bei der Aufstellung des Inventars darf der Bestand demnach auch mit Hilfe anerkannter mathematisch-statistischer Methoden auf Grund von Stichproben ermittelt werden. Voraussetzung ist, das die verwendeten Verfahren den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) entsprechen und die Qualität des so aufgestellten Inventars dem Aussagewert einer körperlichen Bestandsaufnahme gleichkommt. Durch diese seit 1977 geltende Regel können Unternehmen ihren Inventuraufwand um bis zu 95 Prozent reduzieren.

Die Stichprobeninventur erfordert nur einige wenige betriebliche Voraussetzungen. Wichtig ist, dass jedes Lager mindestens 1.000 Positionen oder so genannte Teil-Lagerplatz-Relationen enthält. Liegt zum Beispiel eine Teilenummer auf fünf Plätzen, sind dies fünf Datensätze. Liegen auf einem Lagerplatz fünf Teilenummern, sind dies ebenfalls fünf Datensätze. Für die Inventur sind mindestens 1.000 solcher Datensätze notwendig. Weitere Voraussetzungen sind, dass im Unternehmen ein IT-basiertes, zuverlässiges Lagerbestandsführungssystem eingesetzt wird und die Differenzen zwischen Buch- und Zählwerten innerhalb der zulässigen Grenzen liegen.

Die Ziehl-Abegg AG nutzt hierfür seit über 15 Jahren das ERP-System „proALPHA“ und übergibt von dort die Daten über eine Schnittstelle ins Stichprobeninventurprogramm Stasam – und aus Stasam über die Schnittstelle wieder zurück nach proALPHA. Diese Schnittstellenprogramme wurden zusammen mit proALPHA entwickelt. Bei Veränderungen von Datenstrukturen muss sowohl proALPHA, als auch die Ziehl-Abegg AG reagieren. Marion Schwanitz passt in solchen Fällen die Übergabeprogramme ins Stasam an, so dass keine großen Veränderungen innerhalb von Stasam notwendig werden.

Hintergrund: Ziehl-Abegg AG

Das im Jahr 1910 durch Emil Ziehl gegründete Unternehmen Ziehl-Abegg produziert Luft- und Antriebstechnik mit zugehöriger Regeltechnik. Zum Programm der Familien-Aktiengesellschaft zählen darüber hinaus elektronische Regelgeräte zur stufenlosen Drehzahlsteuerung von Ventilatoren in der Landwirtschaft, Klima-, Reinraum- und Kältetechnik. Regelgeräte mit hohen Ansprüchen an die Positioniergenauigkeit und Fahrkomfort für Personen- und Lastenaufzüge, Regalbediengeräte, Kran- und Förderanlagen runden das Portfolio ab.

Im Hauptwerk Künzelsau und in den Zweigwerken Bieringen und im Gewerbepark Hohenlohe bietet Ziehl-Abegg rund 1.500 Arbeitsplätze. Hinzu kommen Niederlassungen, Produktionsstätten, Vertretungen und Geschäftspartner in über 30 Ländern. Das weltweite Vertriebsnetz reicht von Australien, Kanada über Skandinavien, Südafrika bis nach China.

Hintergrund: Stat Control GmbH

Das in Grünendeich bei Hamburg beheimatete Software- und Beratungshaus Stat Control entwickelt seit mehr als 17 Jahren ausschließlich Software zum Vereinfachen von Inventuren. Die Produkte nutzen die in Deutschland, Österreich oder der Schweiz sowie anderen Ländern gesetzlich festgelegte Möglichkeit der so genannten Stichproben-Inventur.

Zu den Kunden zählen mittelständische Firmen ebenso wie internationale Konzerne. Kamen die Kunden in der Vergangenheit vornehmlich aus der Industrie, so entdecken zunehmend auch Speditionen und Logistik-Dienstleister die Vorteile der Stichproben-Inventur.

Hauptsächlich kommen dabei die Produkte STASAM und STASEQ zum Einsatz. Die Programme bieten Lösungen für alle Unternehmen ab etwa 1.000 Lagerpositionen. Völlig neu entwickelt wurde das elektronische Aufnahmeverfahren STACOL, das mit Hilfe eines mobilen Erfassungsgerätes das Zählen und Eingeben der Positionen direkt am jeweiligen Lagerort ermöglicht. STASAM ist ein Stichprobeninventur- und Controlling-System für die permanente und die stichtagsbezogene Stichprobeninventur. STASEQ ist ein Sequenzialtest für Lager mit hoher Bestandssicherheit. Die Systeme sind zertifiziert und mit allen ERP-und Warenwirtschaftssystemen kompatibel. Seit Juli 2006 ist Stat Control als einziger Anbieter von Inventursoftware Business-Partner der SAP-Tochter Steeb. Neben ausgereiften und bewährten Systemen bietet Stat Control qualifizierte Beratungs- und Service-Leistungen rund um die Stichprobeninventur.